Prälat Hellmut Puschmann zur Caritas-Geschichte: „Seht, da ist der Mensch!“
Die Geschichte der Caritas in Dresden - Kathedralforum am 2. Juni 2016
Eine Woche nach dem Katholikentag in Leipzig möchte ich mit dem Motto dieses Treffens das Thema aufgreifen: "Seht, da ist der Mensch!" Denn das ist nicht erst heute Thema. Caritas bedeutet immer Antworten zu suchen, beizustehen, zu unterstützen, zu stärken, wo der einzelne Mensch Hilfe braucht. Sie bedeutet auch, dass unter Umständen politische Konflikte entstehen, wenn ausgegrenzte Menschen ins Bewusstsein der Gesellschaft gelangen, wenn Verhaltensweisen und Gesetze zu ändern oder neu zu erarbeiten sind, denn Caritas versteht sich auch als Anwalt. Und sie soll als Maßstab das Handeln Jesu vor Augen haben: Gott ist die Liebe!
1. Die Anfänge
Caritas wird konkret, sobald Menschen die Notlage anderer wahrnehmen und gemeinsam helfen. Das geht insofern über Nächstenliebe als persönliche Tugend hinaus, als es gemeinsam geschieht. Solche Initiativen begleiten die ganze Kirchengeschichte, auch die Anfangsphase der Caritas in Dresden. Schon lange vor der Gründung hatte es sowohl die eine Form gegeben - ich erinnere an die Gräfin Maria Josepha, der wir das ehemalige Kath. Krankenstift in Friedrichstadt verdanken, als auch die Form gemeinsamen Handelns dann erinnere ich an die Aktivitäten der caritativen Frauenorden, die ersten Elisabethkonferenzen, die ehrenamtlich in der Hofkirchengemeinde seit 1865 mit den Grauen Schwestern wirkten. Nach dem deutsch-französischen Krieg begann die große Entwicklung die Städte. Auch Dresden boomte. Die Stadt zog schon damals Menschen an, junge Frauen, die vom Lande kamen, arbeitssuchende Männer. Sie brauchten in der Stadt Starthilfe. Viele waren ohne Ausbildung. Das merkte man auch, wenn sie älter wurden. gehörten Katholiken hier häufig zu den ärmeren Menschen. Sie wohnten häufig in kleinen Wohnungen ganz oben in den Mansarden. Es gab aber auch diejenigen, die als Unternehmer, Lehrer, Wissenschaftler, Künstler, Juristen bekannt wurden.
Der erste Weltkrieg von 1914-1918 brachte viel Leid: Nahrung wurde knapp, Männer mussten an die Front, viele Frauen mussten daheim ihre Arbeit übernehmen. Die Zahl gefallener und verwundeter Soldaten forderte die Menschen und die Institutionen heraus.
Wir müssen aber auch die geistigen und politischen Entwicklungen sehen: Sie spielten bei der Gründung des Caritasverbandes insgesamt eine bedeutsame Rolle:
Es geht um den wichtigen Impuls, der die Entwicklung bürgerlichen Selbstbewusstseins betrifft: Seit der Französischen Revolution wuchs die Idee des aktiven Bürgers, der sich nicht mehr vom Adel führen ließ und sich im Gehorsam unterordnete. Menschen haben Rechte, die sie selbst einfordern. Die bürgerliche Revolution von 1848 brachte dann weitere neue Ideen und Konsequenzen. Daraus erwuchsen Spannungen untereinander und zum Staat hin. Die konfessionellen Spannungen in Deutschland zwischen den Kirchen verschärften sich im Kulturkampf, den Bismarck gegen die Katholiken und ihre Mitgestaltungsansprüche führte. Bei den katholischen Eliten wuchs der Wille, das gesellschaftliche und politische Leben mitzugestalten. Dies alles war in katholischen Gegenden wie im Rheinland sehr ausgeprägt. Die Gründung des Deutschen Caritasverbandes 1997 in Köln war ein Zeichen der Selbstbehauptung, um die vielen einzelnen katholischen sozialen Initiativen zusammenzuführen. Caritas sollte politisch vertreten werden, sich in der Öffentlichkeit bemerkbar machen und zwar als selbstbewusste, fachlich qualitative und kompetente politische Organisation, die bewusst das soziale Leben mit gestaltet. Die deutschen Bischöfe beschlossen 1916, in allen Diözesen Diözesanverbände zu gründen.
Diese Entwicklungen wurden in Dresden aufgegriffen, denn es war zu erwarten, dass noch mehr Hunger kommen wird, noch mehr Verwundete Hilfe brauchen, nicht nur in Lazaretten, sondern auch später durch geeignete Arbeitsmöglichkeiten. Die Notwendigkeit für eine Organisation bestand. Auch wenn es kein Bistum gab. Wenn nicht so, dann eben so.
Also verschiedene Ansätze: Nächstenliebe als persönlicher Auftrag des Glaubens, die vorhandene Not und der Wille, sich als aktiver Gestalter der sozialen Wirklichkeit zu betätigen.
Der Verband:
1. Erster Weltkrieg und Weimarer Republik
Am 22. Februar 1916 trafen sich der der Apostolische Vikar Löbmann, sieben Geistliche und 12 Damen und Herren. Nicht alle Pfarreien und Vereine waren vertreten. Offenbar bestand an der Basis Sorge, dass die Gründung einer Überwachung der Arbeit dienen solle, denn darüber wurde ausdrücklich gesprochen. Das neue Sekretariat sollte hingegen die Namen der unterstützungsbedürftigen Menschen sammeln, Vormundschaften bearbeiten, eine bessere Koordination bewirken. Auffällig ist die Betonung der Sorge um Kinder und der Vormundschaften. Offenbar steht dahinter ein starker Notstand. Man nahm sich vor, die Konzeption noch detaillierter zu erarbeiten.
Man traf sich am Anfang sehr häufig, bis Satzung und erste praktische Entscheidungen gefallen waren. Vorsitzender war zunächst Rat Hartmann. Die Dokumente sprechen von dem Bemühen um Mitglieder, die tatkräftige Menschen sein sollen. Im März 1917 hat man die Struktur klar: 9 Leute im Vorstand, alles Männer. Als Geschäftszimmer dient ein Unterrichtsraum im Pfarramt Neustadt am Albertplatz. Man schickt einige Hundert Werbebriefe, will Mitglieder gewinnen und die Satzung publizieren mit 1000 Exemplaren! Zunächst gelingt auch die Finanzierung des Starts. Immerhin hat man 1917 2120,85 M Einnahmen. Seit März 1918 ist RA Dr. Hille Vorstandsmitglied, der dann das neue CS und die Geschäftsführung übernimmt. Er wird viele Jahre das Sekretariat der Dresdner Caritas prägen. - In den weiteren Ausführungen werde ich mich aus Zeitgründen Personen nur selten nennen.
Anfang 1922, also nach der Bistumsgründung 1921, beschließt der Vorstand einstimmig, einen Diözesancaritasverband zu begründen, der bisherige Dresdener Verband soll aber selbständig bleiben.
Interessant ist, dass schon 1921 ein Landesamt für Wohlfahrtspflege gegründet wird. In ihm arbeiten staatliche und freie Wohlfahrtspflege zusammen. Es ist eine spezifische Vorform der heutigen LIGA.
Leider kann ich nichts berichten über spezielle Tätigkeiten der Caritas in der Weimarer Zeit und in der Zeit der Nazidiktatur, denn die Akten sind entweder beim Angriff 1945 verbrannt oder im Archiv von der Flut 2002 vernichtet worden.
Eindeutig geht jedoch aus den wenigen vorhandenen Unterlagen hervor, dass über viele Jahre hinweg die Not der Kinder eine recht große Rolle spielte - für sie wurden Vormundschaften übernommen und Erholungsmöglichkeiten organisiert, Die Frage nach Laienapostolat und Caritas wird ebenfalls stark betont. In diesem Zusammenhang sind Besuche und Kontakte mit Familien genannt. Ebenso soll die Caritas stärker bei der Gerichtshilfe für Erwachsene mitwirken. 1928 behandelt die Generalversammlung das Thema "Großstadtnot und Kinderelend." Viele Besucher kommen vor allem in der Zeit der Weltwirtschaftskrise zur Sprechstunde, um Hilfe zu erhalten: Bekleidungshilfen, Essengutscheine, Vermittlung von Hausrat usw. Die Zusammenarbeit mit den 13 Pfarreien war ein weiterer Schwerpunkt: Die Caritas machte 1928 160 Traubesuche und 106 Taufbesuche, um Menschen den Kontakt zur Kirche und damit zu den Sakramenten zu erleichtern. 1928 wurden z. B. 91 unehelich geborene kleine Kinder den Pfarreien zur laufenden Betreuung durch Mitglieder der Frauenvereine gemeldet.
Zusammenfassend können wir erkennen, dass unsere Altvorderen sich immer auf die sozial auffälligen Familien orientierten und sich sehr um die Organisation von Einzelfallhilfen durch personelle Begleitung und Beratung konzentrierten. Dabei ist die koordinierte Hilfe durch die Vinzenz- und Elisabethvereine selbstverständlich. Mehr und mehr werden um 1930 herum auch Treffpunkte und Veranstaltungen für erwerbslose Jugendliche geschaffen wie Nähstuben, Wärmestuben und Kurse zur Lebensbewältigung. Die Beschaffung verbilligter Kleidung, Lebensmittel und Kohlen sind nach wie vor bedeutsam. Interessant: Fragen der Altenhilfe tauchen relativ selten auf. Die Gesamtverantwortung für die soziale Lage der Stadt erfolgt offensichtlich von ganz unterschiedlichen Akteuren arbeitsteilig. Die finanzielle Lage der Caritas bleibt anfällig. 1931 wird Pfr. Werner Vorsitzender. Er ist schon Vorsitzender des DiCV
Ziel der Arbeit sind nach einer Druckschrift von 1932 vor allem die Auskunftserteilung, Beratung und Vermittlung von Hilfen in allen Angelegenheiten der Wohlfahrtspflege, der Jugendfürsorge und des Kinderschutzes durch öffentliche Stellen, Betreuung aller in Dresden geborenen katholischen unehelichen Kinder mit Hilfe des Katholischen Fürsorgevereins und der zuständigen Pfarrämter. Und es gibt eine Eheberatungsstelle mit Sitz im Josefstift. Wir erkennen bei den Schwerpunkten ganz deutlich einen Unterschied bei den institutionellen Aufgaben zu unserer Zeit: Hilfen für alte Menschen sind eine Aufgabe der Familien und der Vereine vor Ort. Migranten sind Einzelfälle oder regional und zeitweise ein Thema. Abhängigkeit wird vor allem in Bezug auf Alkohol genannt.
2. Caritas in der nationalsozialistischen Zeit:
Leider sind keine Unterlagen über diese Zeit vorhanden. Zeitzeugen berichteten von vielen Einzelaktionen, weil durch den Krieg alle Lebensbereiche in Veränderung waren, weil Nöte wuchsen, weil immer mehr Flüchtlinge kamen bis schließlich auch Dresden ausgebombt wurde. Aus meiner Familie besitze ich etliche Zeitungen, die Zeugnis dafür geben.
Politische Spielräume hatte die Caritas nicht. Nur sie, das DW und das DRK durften Einzelfallhilfe leisten. Die anderen Verbände der FW waren verboten und aufgelöst worden. Ein nationalsozialistischer Wohlfahrtsverband wurde gegründet. Die nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) wurde von den Machthabern mit der Caritas, der Diakonie und dem DRK zu einem System geformt, das die eigenständige Arbeit sehr einengte. Damit konnte der Krieg langfristig auch im Bereich der Pflege usw. vorbereitet werden, denn auch die kirchlichen Krankenschwestern wurden massiv bedrängt. Daher schuf man die Caritasschwestern und die Diakonieschwestern als kirchliche Gemeinschaften mit ordensähnlichen Formen. Auch in Satzungsfragen erfolgen verschiedene Änderungen, um zu vermeiden, dass die Nazis Einfluss auf die Vorstände gewinnen. Dies geschieht vor allem durch eine enge Verzahnung der Struktur mit dem Bischof.
3. Nachkriegszeit
Das Sekretariat ist ausgebombt, überall herrscht Chaos, Angst vor den Russen, langsame Schritte. Die Besatzungsmacht und die langsam entstehende Landesregierung versuchen, alle Kräfte zu aktivieren. Auch die Caritas. Plötzlich wird die Frage der Alten akut: Seit damals für lange Zeit: Wartezeit bis zu fünf Jahren auf einen Heimplatz. Ähnliche Probleme bestehen mit behinderten oder kranken männlichen jungen Leuten. Sie sind dem Leben in Provisorien bei Hunger und Kälte nicht gewachsen. Der spätere Propst Sprentzel bittet nach dem Angriff um Hilfe in anderen Heimen des Bistums für die Alten aus dem zerbombten Franceschistift und bekommt Absagen. Ausgebombte und vertriebene Familien suchen Rat. Der Gesundheitszustand der Kinder ist schlecht, es werden Erholungsaufenthalte organisiert, nicht nur für sie, sondern auch für Mütter. So waren 1951 im MEH Kipsdorf 321 Frauen mit 7704 Verpflegungstagen, für die sie täglich nur eine Mark bezahlen mussten. Eine Mark bezahlte die Pfarrei, 2,50 M die Caritas, insgesamt also 4,50 M. Hilfen für den Kriegsgeschädigtenfonds werden vermittelt, Hilfen bei der Antragstellung geleistet. Wenn man bedenkt, dass es an allem mangelte, dann sind die Aufgaben kaum zu packen: 1948 musste das Land Sachsen 360 000 alte Umsiedler aufnehmen. Man muss also Heime schaffen - eine Aufgabe, die auch die Diözesancaritas anpackt. In Dresden werden Albertstift und Bennostift wieder entsprechend den Möglichkeiten arbeitsfähig gemacht.
4. Neue Perspektiven:
In den ersten Nachkriegsjahren kreiste alles Denken nur um Fragen des Überlebens. Nachdem die DDR gegründet war, zeigten sich die politischen Ziele der Diktatur der SED immer klarer. Kirchliche Vereine und Verbände hatten keine Chance zur Genehmigung. Daher mussten unsere Bischöfe die Caritas als eine Kernfunktion des Christseins und der Kirche auch in ihrer organisatorischen Form so gestalten, dass sie sich eindeutig als Teil der Kirche darstellte. In den anderen Ostblockländern war die Caritas von vornherein mehr oder weniger verstaatlicht worden. Unsere Bischöfe gaben ihr das Gesicht eines kirchlichen Sozial- und Hilfswerkes des Bistums. Das ist die Grundlage dafür - wie Kardinal Bengsch es einmal formulierte - dass es zwischen Elbe und Wladiwostock nur hier eine kirchliche Caritas gab.
Für die Caritas in den Dekanaten heißt das eine Festschreibung der in der Nazizeit bewährten Strukturen: Keine persönliche Mitgliedschaften, klare Zuordnung zu den Gemeinden im Dekanat und die immer wieder neu zu gestaltende Dialektik: Was ist auf Diözesanebene notwendig und was müssen und können die Gemeinden selbst leisten? Dies beinhaltete z. B. auch die Regelung, dass die Zuständigkeit für politische Gespräche streng geregelt war.
Die personelle Ausstattung war äußerst bescheiden: ein, max. zwei Fürsorger/in, eine Person für die Verwaltung. Diese Mitarbeiter prägten meist für lange Zeit die Arbeit, es gab wenig Personalwechsel. Schlimm war es oft mit der räumlichen Situation. Die Aufgaben waren fast völlig auf Einzelfallhilfe orientiert, wobei die Vermittlung von Menschen in den jeweiligen Einrichtungen (Erholungen, Altenpflege, Kinder, Behinderte) eine große Rolle spielte. Mehr und mehr wurden staatlicherseits die Kinderheime behindert: Man wollte sie aushungern. - Viele Kontaktgespräche und Hausbesuche erfolgten, Sprechstunden in den Pfarreien. Dadurch wurden viele verborgene Nöte entdeckt: die Arbeit mit Sinnesgeschädigten und mit Körperbehinderten und auch geistig behinderten Menschen begann so ganz von der Basis aus bis zur Bildung von Gruppen für sie. In den 60 und siebziger Jahren wurden Spezialisten auf Diözesanebene angestellt. Die Gemeindekontakte, vor allem mit den Pfarrern und den Elisabethkonferenzen, waren unverzichtbar.
Die Tätigkeit dieser Zeit war selbstverständlich sehr konkret auf die Notlagen der einzelnen Menschen orientiert. Die Einrichtungen hatten diverse andere Träger: oft die Diözesancaritas, andere Orden oder die Pfarrei. Die Zusammenarbeit mit der Diakonie war in der Regel gut und vertiefte sich. Mit den staatlichen Institutionen war sie sehr unterschiedlich: Vor allem lag dies an den jeweiligen staatlichen Direktiven, dann auch an den persönlichen Beziehungen, aber auch an den Bereichen, in denen staatliche Stellen Unterstützung brauchten: z.B. Straffällige nach ihrer Entlassung bei der Wiedereingliederung. Insgesamt versuchten wir, dem Staat nur die notwendigen Einblicke zu geben, weil man nie wusste, welche Ziele verfolgt wurden. Im Hinblick auf die Gewinnung von Informellen Mitarbeitern war die Stasi in der Caritas übrigens insgesamt nur ganz selten erfolgreich. Darauf sind wir stolz und den Mitarbeitern für ihre Geschlossenheit dankbar.
Die politischen Themen und Probleme lagen aufgrund der ideologischen Vorgaben und der Aufgabenstrukturierung mehr auf der Diözesanebene. Dies war eine große Entlastung in der Arbeit vor Ort. Für die Glaubwürdigkeit der Kirche spielten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Caritassekretariaten eine große Rolle als Vertrauenspersonen, als verlässliche und nicht korrumpierte Menschen. In dieser Hinsicht freilich haben sie damals manche Last getragen, die kaum jemand kennt. Dies dürfen wir beim Rückblick auf die Nazizeit und die DDR-Zeit nicht vergessen.
5. Der große Schritt in die Freiheit:
Wieder begann ein neuer Abschnitt. Für uns alle stand die Aufgabe an, unsere Erfahrungen, Kenntnisse und Lebensperspektiven neu zu verknüpfen. Die Caritas im Osten bekam wieder ihren ursprünglichen Status als Verband. Sie konnte wieder Mitglied sein im Deutschen Caritasverband. Viele Mitarbeiter erlebten ein ganz spezielles Wechselbad der Gefühle: In der DDR war ihr guter kirchlicher Berufsabschluss nur kirchlich, nicht aber staatlich, anerkannt. In der Wendezeit waren sie plötzlich für die öffentlichen Stellen und staatlich ausgebildeten Kollegen diejenigen, die scheinbar wissen mussten, wie es im Westen ist und bei uns sein wird. Und dann hieß es bei der Vereinigung: Eure Berufsabschlüsse werden nur anerkannt, wenn ihr ein langes Ergänzungsprogramm absolviert. Wir haben seinerzeit viele Verhandlungen in Bonn geführt, um tragbare und gerechte Kompromisse zu finden.
Der Verband wurde also von neuem zum Leben erweckt und konnte einesteils selbstständig als Verein agieren, er ist einesteils eigenverantwortlich, hat aber innerhalb der Caritasstruktur die Chance des Austauschs, der Beratung, der Unterstützung in den unterschiedlichsten Themenbereichen, er ist automatisch Mitglied des Diözesancaritasverbandes und steht dadurch sowohl unter dem Schutz und der Aufsicht des Bischofs.
Die Übernahme neuer Aufgaben ist in großem Maße nötig und möglich geworden. Die Mitarbeiterzahl ist dadurch enorm gestiegen. Unser Verband hat wach und kreativ gehandelt. Dafür dürfen wir Mitglieder und alle hier den Beteiligten sehr dankbar sein!
Vieles knüpft an Aufgaben des Anfangs an, hat aber heute ganz andere Ansätze und Methoden, weil die Lebensverhältnisse und die Notlagen der Menschen anders geworden sind. Stichworte dafür sind sowohl die Jugendhilfe, die Sozialstationen, die Migrationsberatung, aber auch die Suchtberatung.
Wichtige Anliegen der Meißner Diözesansynode und der Pastoralsynode müssen uns aber auch bei diesem Jubiläum in Unruhe versetzen: Gemeinden und Caritas sind zu weit voneinander entfernt und brauchen mehr Nähe. Beide Achsen kirchlichen Lebens haben einen gemeinsamen Antrieb. Und den muss jeder spüren, selbst wenn es nicht ständig ausgesprochen wird: Die Liebe Christi treibt uns!
Beeindruckend ist die Entwicklung partnerschaftlicher Strukturen in der sozialen Arbeit zwischen den Wohlfahrtsverbänden als auch mit öffentlichen Stellen, nachdem sowohl Nazis als auch SED-Diktatur alles monopolisiert hatten. Damit hängt auch die Finanzierung der Arbeit zusammen.
Verehrte Damen und Herren,
dieser Überblick über 100 Jahre Caritasverband Dresden zeigt, wie radikal in dieser Zeit gesellschaftliche Veränderungen unser Leben in Bewegung gehalten haben. Es waren wahrlich keine ruhigen Zeiten! So anstrengend es auch ist, sollten wir uns hüten vor einem stöhnenden Jammern, vor einem Zurückweichen vor genau dieser Dynamik. Caritas ist für mich der schönste Bereich der Kirche, weil wir im Heraustreten aus dem streng innerkirchlichen Bereich umfassend erfahren: Seht, da ist der Mensch! Und er lebt!
H.Puschmann
Glückwünsche aus nah und fern an den Caritasverband für Dresden e.V. zum 100-jährigen Bestehen
Der Caritasverband für Dresden e.V. feiert heute (7.6.) um 18 Uhr mit einem Festgottesdienst in der Dresdner Kathedrale sein 100-jährigen Bestehen. Gern veröffentlichen wir einen Teil der Glückwünsche.
Bischof Heinrich Timmerevers, Bischöflicher Offizial in Vechta und Weihbischof im Bistum Münster, ernannter Bischof von Dresden-Meißen:
"Aus Vechta sende ich liebe Grüße an den Caritasverband für Dresden e. V. und gratuliere herzlich zum 100. Geburtstag. Noch vor der Wiedererrichtung des Bistums Meißen 1921 nahm die christliche Nächstenliebe als Grundfunktion von Kirche in diesem Verband bereits konkrete Gestalt an. Gerne komme ich nach Dresden und ich freue mich, wenn wir demnächst "gemeinsam ein Stück des Weges" gehen können."
Barbara Klepsch, Sächsische Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz:
"Im Mittelpunkt Ihrer Arbeit steht stets das Wohl Anderer. Seit 100 Jahren bestimmen Nächstenliebe und Barmherzigkeit Ihr Handeln. Herzlichen Dank für Ihren Einsatz und Ihr Engagement für die Menschen in Dresden, Sachsen und der Welt."
Dirk Hilbert, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Dresden:
"Damals wie heute sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Caritasverbandes eine verlässliche Hilfe für Menschen in Not. Ein aktuelles Beispiel ist ihre engagierte Flüchtlingshilfe. Beratungsstellen, Jugendhilfe, Seniorenbetreuung, Suchtberatung, Sozialstationen und Kindertagesstätten bilden in unserer kommunalen Sozialpolitik einen wichtigen Grundstein. Einen Grundstein dafür, dass es gemeinsam möglich ist, denjenigen zu helfen, die Hilfe dringend benötigen. Ich wünsche jedem Einzelnen von Ihnen Kraft, Gesundheit und persönliches Wohlergehen, damit wir ein Stück des Weges gemeinsam weiter gehen können."
Michael Geisler, Landrat des Landkreises Sächsische Schweiz-Ostergebirge:
"Zuverlässigkeit und partnerschaftliche Zusammenarbeit sind Markenzeichen, die sich durch das praktische Handeln immer wieder bestätigt haben. Ich wünsche dem Caritasverband für Dresden e. V. alles Gute für die kommenden Jahre und viel Erfolg bei der Bewältigung der vor ihm liegenden Aufgaben."
Prälat Dr. Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes e.V.:
"Tag für Tag setzen sich viele Haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür ein, dass es sich lohnt an der Idee der Liebe und zwischenmenschlichen Solidarität festzuhalten. So gratuliere ich dem Caritasverband für Dresden von Herzen zum 100jährigen Jubiläum und wünsche den vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiterhin Mut, Kraft und über allem Gottes Segen."
Matthias Mitzscherlich, Direktor des Caritasverbandes für das Bistum Dresden-Meißen:
"100 Jahre Caritasverband Dresden - das ist Dankbarkeit für das caritative Handeln von Frauen und Männern in der Stadt und im Dekanat Dresden in oft schwierigen Zeiten. Und es gibt Zuversicht, dass die Caritas auch zukünftig die Nöte der Menschen sieht und handelt. Dazu Gottes Segen!"
Pfarrer Christoph Stolte, Direktor der Diakonie Dresden:
"100 Jahre hingebende und uneigennützige Unterstützung anderer Menschen, das ist Caritas als Lebenshaltung und Dienst. 100 Jahre sind eine bewegte Geschichte. Ihre Tätigkeit reicht von den Anfängen mitten in den Nöten des Ersten Weltkrieges bis zur Betreuung geflüchteter Menschen heute. Der "rote Faden" ist die Hinwendung zum andern Menschen allein um seiner selbst willen. Oftmals ist es stiller Dienst im Verborgenen, ohne besondere Anerkennung. An ihrem besonderen Jubiläum danken wir Ihnen ausdrücklich für die Caritas, die sie sind und leben. Möge Gott jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter segnen, ermutigen und bewahren. Wir danken Ihnen für alle vertrauensvolle Verbundenheit und geschwisterliches Zusammenarbeit."
Lars Rohwer, Vorsitzender des DRK Kreisverbandes Dresden e.V.
"Herzlichen Glückwunsch Caritas Dresden! Ich freue mich, mit Ihnen gemeinsam dieses historische Jubiläum zu begehen. Seit nunmehr 100 Jahren wirkt die Caritas als Verband der katholischen Kirche in Dresden und Umgebung im Namen der Barmherzigkeit und der Nächstenliebe. Aus der Gründungsmotivation heraus, Kriegsopfern, unabhängig welcher Kriegspartei, zu helfen, folgt das DRK den Grundsätzen der Menschlichkeit und Neutralität. Diese unterschiedlichen Ansätze stellen jedoch keinen Widerspruch dar. Beide Vereine sind in ihrem Wirken eng miteinander verbunden. Der Wille, Menschen in Not beizustehen und zu helfen vereint sie und macht sie zu starken Partnern. In diesem Sinne wünsche ich der Caritas Dresden auch für die nächsten 100 Jahre viel Tatendrang und Gottes Segen."